Familie vor dem Haus

Grundsteuerreform in Niedersachsen

30.03.2022

von Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) Christian Biemann, Geschäftsführer Haus und Grund Osnabrück

Ausgangslage
Niedersachsen hat seit dem 07.07.2021 ein eigenes Grundsteuergesetz. Notwendig ist die Neuregelung, um eine gerechte Besteuerung der Grundstücke zu erreichen. Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2018 das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung für verfassungswidrig erklärt.

Die Grundsteuer hat für die kommunalen Haushalte eine enorme Bedeutung. Nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer stellt die Grundsteuer die drittgrößte Einnahmequelle der Kommunen dar. Allein in Niedersachsen belief sich das Grundsteueraufkommen im Jahr 2020 auf insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro, bundesweit auf rund 14 Milliarden Euro.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die gesetzlichen Regelungen zur Grundsteuer für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung erklärt hat, musste der Gesetzgeber die Grundsteuer reformieren, um das Aufkommen für die Kommunen zu sichern und die Neuregelungsfrist des Bundesverfassungsgerichts einzuhalten. Ab dem 01.01.2025 kann die Grundsteuer nur noch nach neuem Recht erhoben werden. Dafür hat der Bund ein komplexes Modell entwickelt, das dem alten Recht ähnlich ist. Er hat zugleich den Ländern mit der sogenannten Öffnungsklausel die Möglichkeit eingeräumt, eigenes Landesrecht für die Grundsteuer zu schaffen. Niedersachsen hat sich für eine selbstentwickelte Lösung entschieden – dem Flächen-Lage-Modell.

Zwar ist mit dem neuen Gesetz keine Erhöhung des Grundsteuer-Aufkommens beabsichtigt, gleichwohl wird es durch die Reform zu Belastungsverschiebungen für einzelne Steuerpflichtige kommen. Das kann sowohl ein Mehr als auch ein Weniger für den Einzelnen sein.

Flächen-Lage-Modell
Das Flächen-Lage-Modell ist ein auf den Äquivalenzgedanken gestütztes Modell:

  1. Ausgangspunkt der Berechnung sind die Grundstücks- und Gebäudeflächen sowie wertunabhängige Äquivalenzzahlen.
  2. Ergänzend wird die Lage der Grundstücke berücksichtigt.
  3. Nicht nur Fläche und Bebauung, sondern auch die mögliche Teilhabe am kommunalen Nutzungsangebot durch den Grundbesitz in der jeweiligen Lage wird einbezogen.
  4. Dazu wird der für alle Bauflächen vorhandene Bodenrichtwert genutzt und mit dem Durchschnittsbodenrichtwert der Gemeinde – gedämpft – ins Verhältnis gesetzt.

Ergebnis: Einfache Lagen werden etwas niedriger, gute Lagen etwas höher besteuert.

Bald geht es los!
Zur Umsetzung ist jede Eigentümerin/jeder Eigentümer eines Grundstücks verpflichtet, ab dem 01.07.2022 eine Erklärung mit den richtigen Angaben (strafbewehrt) zu seinem Grundstück gegenüber dem zuständigen Finanzamt abzugeben. Für das niedersächsisches Modell sind nur wenige Angaben notwendig, die in den meisten Fällen ohnehin vorliegen. Anders als beim Bundesmodell ist die Steuererklärung für die ca. 3,5 Millionen zu bewertenden Grundstücke in Niedersachsen nur ein einziges Mal abzugeben. Nur für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke gilt in allen Bundesländern das Bundesrecht, weshalb alle sieben Jahre eine Erklärung abzugeben ist.

Die Erklärung besteht aus folgenden Angaben:

  • Adresse (Lage des Grundstücks)
  • Flächengrößen des Grundstücks (amtliche Fläche, Grundbucheintragung, Liegenschaftsvermessung, Grundsteuer-Viewer ),
    Sonder- und Gemeinschaftseigentum: bildet einen Teil der Flurstücke und wird als Miteigentum in einem Bruchteil angegeben
  • Gebäudeflächen für Wohnen (Wohnflächenverordnung, Bauunterlagen, Kaufvertrag, Mietvertrag) und für Nicht–Wohnen (Nutzfläche nach DIN 177-1, Vermessung der Flächen)

Hauptfeststellungsstichtag für alle bebauten und unbebauten Grundstücke ist der 01.01.2022. Zu diesem Zeitpunkt sind aber noch keine Erklärungen abzugeben. Entscheidend sind die steuerlichen Verhältnisse an diesem Stichtag.

Über das Portal ELSTER – Ihr Online-Finanzamt unter www.elster.de steht den Bürgerinnen und Bürgern ab dem 01.07.2022 die kostenlose Möglichkeit der elektronischen Erklärungsabgabe zur Verfügung. Hierfür wird ein sogenanntes Benutzerkonto benötigt, mit dem man sich einmalig gegenüber dem Finanzamt ausweist. Wer seine Einkommensteuererklärung bereits elektronisch über ELSTER an das Finanzamt übermittelt, kann dieses Benutzerkonto auch für die Grundsteuer verwenden. Eine erneute Registrierung ist nicht notwendig.

Darüber hinaus dürfen über dieses Benutzerkonto auch die Erklärungen von Angehörigen übermittelt werden. Kinder können damit beispielsweise für ihre Eltern die Erklärung elektronisch abgeben. Bei der elektronischen Erklärungsabgabe können zudem die Angehörigen der steuerberatenden Berufe helfen. Auch Hausverwaltungen sollen die Erklärungsabgabe übernehmen können.

Selbstverständlich werden auch die Belange derjenigen, die keinerlei Möglichkeit haben die Erklärung elektronisch abzugeben, berücksichtigt. Im Ausnahmefall werden Papier-Vordrucke bereitgestellt und Papier-Erklärungen angenommen.

Zuvor erhält jede Eigentümerin/jeder Eigentümer eines Grundstücks im Mai/Juni 2022 vom zuständigen Finanzamt ein Informationsschreiben, aus dem die wichtigsten Daten und Informationen für das Ausfüllen der Erklärung hervorgehen. Dazu zählen auch Grundstücksinformationen, die schon bei der Finanzverwaltung vorhanden sind. Auch der Grundsteuer-Viewer gibt Hilfestellung.

Bis zum 31.10.2022 sind die Erklärungen abzugeben. Damit haben die Bürgerinnen und Bürger ihren Anteil an der Neubewertung ihres Grundstückes geleistet. Den Rest erledigt die Verwaltung.

Im Anschluss wird nämlich ein Lage-Faktor von der Finanzverwaltung ermittelt und in die Berechnung einbezogen. Dafür wird als Indikator der Bodenrichtwert für das jeweilige Grundstück genutzt und mit dem Gemeindedurchschnitt verglichen. Dahinter steht, dass eine Gemeinde dem Grundbesitzer typischerweise in guter Lage mehr und in mäßiger Lage weniger Nutzen bietet, zum Beispiel in Gestalt unterschiedlich langer oder kurzer Wege, der Erreichbarkeit kommunaler Dienste und der Nutzungs-/Lebensqualität. Diese Unterschiede werden im niedersächsischen Flächen-Lage-Modell berücksichtigt. Mithilfe des Grundsteuer-Viewers lässt sich der Lage-Faktor für jeden nachvollziehen.

Die Finanzämter haben bis Ende 2023 Zeit, um die neuen Grundsteuermessbeträge festzustellen und an die Kommunen weiterzuleiten. Die Festsetzung der Grundsteuer (Grundsteuerbescheide) erfolgt anschließend bis Ende 2024 durch die Kommunen. Die neue Grundsteuer ist dann ab Januar 2025 zu zahlen.

Weitere Informationen

  • Die Infoseite zur Grundsteuerreform in Niedersachsen (https://lstn.niedersachsen.de/steuer/grundsteuer) bietet einen guten Überblick über die Eckpunkte der Grundsteuerreform und gibt wertvolle Informationen.
  • Fragen zur Grundsteuerreform können zusätzlich dem KONSENS-Chatbot zur Grundsteuerreform unter www.elster.de gestellt werden. Hierbei handelt es sich um ein Bürgerdialog-System unter Nutzung von künstlicher Intelligenz.